Frohes neues Jahr 2013

Wir wünschen allen unseren Lesern und Klassikerwortfreunden ein frohes neues Jahr 2013.

Im Projekt Klassikerwortschatz haben wir uns für das neue Jahr viel vorgenommen. Nachdem die letzten beiden Jahre im Zeichen des neu gestalteten Internetauftritts standen – vielen Dank für die hervorragende Arbeit an Dr. Mareike Riegel –, soll 2013 das Inhaltliche wieder im Mittelpunkt stehen. Das betrifft zum einen die schon begonnene und jetzt weitergeführte Aktualisierung der Texte auf www.klassikerwortschatz.de. Zum anderen sollen auch 2013 wieder neue Wörter erklärt und als Beispielwörter für das »Klassikerwörterbuch« auf dieser Internetseite präsentiert werden. Schließlich sind auch für dieses Jahr Fortbildungsveranstaltungen »Wortorientiertes Lesen« in Planung.

Wir danken Ihnen für Ihr Interesse und würden uns freuen, Sie für unseren Newsletter begeistern zu können, der Sie regelmäßig, schnell und direkt über Neuigkeiten aus dem Projekt informieren wird.

Die Entstehung der deutschen Sprache aus den Dialekten

Noch einmal geht es nach Bayern:
Vom 5. bis 7. August 2011 findet im Bildungszentrum der Hanns-Seidel-Stiftung in Wildbad Kreuth das "Seminar zur Kultur und Tradition: Bayerischer Dialekt und deutsche Sprache" statt. Am Sonntag wird einer der Gründungsväter unseres Projekts, der Redakteur Michael Mühlenhort, einen Seminarabschnitt über die Entstehung der deutschen Sprache aus den Dialekten leiten. Zuvor gestalten u. a. Prof. Dr. Anthony Rowley (Leitung Bayerisches Wörterbuch) und Dr. Wolf-Armin Freiherr von Reitzenstein mit Beiträgen zur "Suche nach den Bayerischen Dialekten" und zu "Ortsnamen in der Mundart" die Tagung, die auf großen Anklang bei Interesssierten an deutscher Sprache und Kultur, vor allem des bayerischen Raumes, stößt.
In Kürze folgt ein Bericht über die Tagung auf dieser Seite.

11. Bayerisch-Österreichische Dialektologentagung 2010 in Passau: Bairisches im Klassikerwörterbuch

Wir waren freundlicherweise eingeladen, mit einem Vortrag zum »Bairischen im Klassikerwörterbuch« beizutragen. Es folgt eine Zusammenfassung; der vollständige Artikel wird alsbald in dem geplanten Tagungsbericht erscheinen.


 

Passau:
Blick über den Inn auf den Stephansdom

 

 

 

Zunächst ist zu klären, in welchem Verhältnis das Klassikerwörterbuch zu den Dialekten steht. – Zwar waren die aus den unterschiedlichsten deutschen Dialektgebieten stammenden Dichter des 18. und 19. Jahrhunderts an der Formung eines erst zu entwickelnden deutschen Schriftstandards beteiligt, aber sie waren auch in viel stärkerem Maße ihrem jeweiligen Dialekt verpflichtet als heutige Autoren. Daher ist dialektaler Einfluß bei der Arbeit an den Belegen des Klassikerwörterbuchs immer zu berücksichtigen, und so sind die großlandschaftlichen Dialektwörterbücher wichtige Hilfsmittel für die Arbeit am Klassikerwortschatz.


Nun ist aber gerade das Bairische (und besonders Bayern) im Korpus des Klassikerwörterbuchs unterrepräsentiert, gemessen an der Größe des Gebiets, der Anzahl der Sprecher und Autoren und gemessen am politischen Gewicht. Neben dem „Nachsommer“ von Adalbert Stifter enthält das Korpus nur noch etwa 100 Einzelgedichte von Autoren aus dem Bairischen wie August von Platen, Nikolaus Lenau, Johann Peter Zu, Anastasius Grün (Anton Alexander Graf von Auersperg), Franz Grillparzer, Ferdinand Raimund u. a. Neben zwei vollständig in bairischem (österreichischem) Dialekt gehaltenen Märchen in den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm ist es ausgerechnet der Schlesier Karl von Holtei, der in dem Lied „Die Wienerin in Berlin“ aus dem gleichnamigen Singspiel (1824) Bairisches anklingen läßt: „Und a Busserl […] Heißt dort Kuß.“ Daraufhin wird der Wienerin mehrmals ein „B'hüt' di Goht“ gewünscht, was der für Norddeutsche so undurchsichtigen Gruß- und Segensformel „Pfüeti(god)“ („Behüte dich Gott“) entspricht.

Da unser digitales Korpus nur Auszeichnungen zur Struktur enthält, wurden für das Folgende ohne Anspruch auf Vollständigkeit anhand gewisser Listen nach „bairischem“ Wortgut gesucht. Z. B. enthält „Busserl“ die für das Bairische so typische Diminutivendung „-erl“. Diese wird von verschiedenen Dichtern eingesetzt, um bayerisches Lokalkolorit anzudeuten (Heine, Keller, Hebbel, Raimund). Der Berliner Fontane läßt sogar eine seiner Figuren im „Stechlin“ (1897) einen damals auch im Norden Deutschlands bekannten und populären Austriazismus, ein ausgewandertes Modewort, verwenden: den „Gigerl“, eigentlich ‘Hahn’, womit jemand bezeichnet wurde, der bedingungslos allen neuen Modetrends hinterherläuft, um damit zu prunken.

Und bei der Fahndung nach typisch bairischen Bezeichnungen für Eßwaren mußten wir feststellen, daß unsere Klassiker eher vitaminarm speisen lassen: Nur in „Des Knaben Wunderhorn“ werden „Fisolen“ (= ‚Grüne Bohnen‘) und „Weichseln“ (= ‚(Sauer-)Kirschen‘) genannt; und der einzige Beleg für „Erdapfel“ (= ‚Kartoffel‘), eine Bezeichnung, die auch mitteldeutsch weit verbreitet ist, stammt aus Goethes „Wilhelm Meister“ (1795/96).

Die Suche nach den in der Dialektforschung anerkannten „bairischen Kennwörtern“ brachte uns auf den „Rauchfang“ für ‚Schornstein, Kamin‘, der auf der Passauer Tagung in mehreren Beiträgen Beachtung fand. Tatsächlich ist das Wort zweimal, jeweils in der Erzählung „Der Nachsommer“ (1857) des Österreichers Adalbert Stifter, belegt. Die neun übrigen Belege stammen jedoch von Goethe, E. T. A. Hoffmann, Mörike, Droste-Hülshoff, Heine, Raabe und Fontane. Nur einer von ihnen ist Oberdeutscher, aber gerade bei Mörike bezeichnet „Rauchfang“ wahrscheinlich nicht den Schornstein, sondern den „häufig zum Räuchern benutzten, trichterförmig sich nach oben verjüngenden Teil über dem offenen Herdfeuer, der den Rauch auffängt und zum Schornstein ableitet“ (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache), die im ganzen deutschen Sprachraum übliche Verwendung. Damit zeigt der historische Befund eine deutliche Differenz zu dem, was bisher als gesichertes Wissen über die typischen Ausdrucksweisen in verschiedenen Dialektgebieten galt. Hier wäre eine weitergehende Untersuchung der Konkurrenzwörter („Schornstein“, „Esse“, „Kamin“ usw.), also der Onomasiologie zu „Rauchfang“, notwendig, um ein klareres Bild zu erhalten.

Zum Abschluß des Vortrags durfte natürlich ein „Schmankerl“ nicht fehlen (auch wenn das Wort im Klassikerkorpus leider nicht vorkommt). Ein Zitat von Ludwig Uhland aus dem Gedicht „Roland Schildträger“ (1811), klischeebeladen, aber passend zum Vortragstitel, und vielleicht prophetisch für den Abend nach den Tagungsvorträgen:

Wohl schwitz ich von dem schweren Druck;
Hei! bairisch Bier, ein guter Schluck,
Sollt mir gar köstlich munden!


Tatsächlich klang der Abend mit dem Höhepunkt der Konzertsaison Passaus aus, der Krönungsmesse von Wolfgang Amadeus Mozart (KV 317), im Passauer Stephansdom, auf einer der größten Orgeln der Welt.

Neue Website

Ab sofort präsentieren wir Ihnen die Informationen zum »Projekt Klassikerwortschatz« auf neu gestalteten Webseiten.

Inhalt und Struktur wurden überarbeitet. Zu den Neuerungen gehören erste Beispielwörter aus dem Klassikerwörterbuch in einer für das WWW optimierten Ansicht. Außerdem besteht jetzt die Möglichkeit, sich über die Entwicklungen im »Projekt Klassikerwortschatz« durch unseren Newsletter informieren zu lassen.

Wir - Ulrich Knoop (Leitung), Michael Mühlenhort, Sabine Bobenhausen und Mareike Riegel - hoffen auf Ihr Interesse und freuen uns über Fragen oder Anregungen.